~ ~ ~ ~ ~

HOME

Warum
Anthologie.de

Fragen &
Antworten

Übersicht über
alle bisherigen
Beiträge

Rubrik: Mein
Lieblingsgedicht

Kontakt



Klaus Groth
<<    ~   >>


Matten Has'


Lütt Matten, de Has'
De mak sik en Spaß,
He weer bi't Studeern,
Dat Danzen to lehrn,
Un danz ganz alleen
Op de achtersten Been.

Keem Reinke, de Voß
Un dach: Das en Kost!
Und seggt: Lüttje Matten,
So flink oppe Padden?
Un danzst hier alleen
Oppe achtersten Been?

Kumm, lat uns tosam!
Ik kann as de Dam!
De Krei, de spelt Fitel,
Denn geit dat kanditel,
Denn geit dat mal schön
Op de achtersten Been!

Lütt Matten gev Pot.
De Voß beet em dot
Un sett sik in Schatten,
Verspis' de lütt Matten.
De Krei de kreeg een
Vun de achtersten Been.





Wilfried Andreas Faust

<<    ^   >>

Preis des Leichtsinns
oder: Die Kunst des Verführens


Seit meinen Kindertagen kenne ich das Gedicht vom Matten de Has, und zwar als Lied in der Vertonung von Ulrich Hildebrandt (1870-1940). Die Hintergründigkeit des Textes wurde mir erst sehr viel später bewusst.

Wenn auch nur ein Teil der Leserschaft des Plattdeutschen mächtig ist, so ist die lyrische Sprache des aus Heide in Holstein stammenden Dichters Klaus Groth wohl auch dem Nichtkundigen leicht verständlich, denn sie ist schlicht und schnörkellos und kaum missverständlich in seinem Inhalt. Groth ging es hauptsächlich darum, das Plattdeutsche literaturfähig zu machen, was ihm in dem vorliegenden Gedicht wohl meisterhaft gelungen ist.

Obwohl es in der Zwischenzeit eine Fassung nach der jetzt üblichen Orthografie gibt, habe ich mich für das Original entschieden, um seine Ursprünglichkeit nicht verloren gehen zu lassen.

Was hier als Kinderlied spielend daherkommt, ist die Verpackung für eine handfeste Fabel, die es gehörig hinter den "Löffeln" hat. In vier sechszeiligen Versen schildert Groth das Drama in knappster Form.

1. Vers:
Der fröhliche, aber naive Matten sucht sein harmloses Vergnügen im Tanz, den er zu beherrschen trachtet ("weer bi't Studeern"). Ganz für sich und leichtfüßig bemüht er sich aufrecht (d.h. auf den Hinterbeinen: "op de achtersten Been") um diese Kunst. Er glaubt sich unbeobachtet.

2. Vers:
Doch da, wo die beiden Schwestern Leichtsinn und Leichtgläubigkeit zusammen auftreten, lauert im Hintergrund schon der Verführer: Reinke der Fuchs, der Listenreiche. Er erscheint wie zufällig, umschmeichelt die Unschuld, welche die Gefahr nicht sieht, doch als Opfer - sprich: Beute - schon auserkoren ist.

3. Vers:
Der Listige bietet sich als Tanzpartner an, wobei er gern die Rolle der Frau übernehmen will ("ik kann as de Dam") und versäumt auch nicht, die Musik gleich dazu einzuführen ("de Krei de spelt Fitel"), die den Spaß noch erhöhen soll ("denn geit dat kanditel"). Die Verführung ist perfekt inszeniert und tut ihre Wirkung.

4.Vers:
Der unschuldige Hase nimmt ahnungslos das Angebot an und reicht dem Verführer die Hand ("lütt Matten gev Pot"), und das Unvermeidliche geschieht ("de Voß beet em dot"). Gewissenlos und am Ziel seiner Wünsche wird die Unschuld zur Speise, die auch noch mit dem Nutznießer in aller Ruhe geteilt wird ("de Krei de kreeg een vun de achtersten Been").

Da jeder Vers mit "de achtersten Been" endet, scheint hier der Angelpunkt der Botschaft zu stecken: Der Hase als Vierbeiner gibt sich eine empfindliche Blöße, wenn er sich auf die Hinterbeine erhebt und sich größer macht, was er sonst nur tut, um zu wittern und zu sichern; aber nur zum Vergnügen ist eine solche Haltung unnatürlich und lebensgefährlich, also leichtsinnig und wird zur Beute der Heimtücke. Der Hase muss dafür in diesem Drama mit dem Leben bezahlen.

Das Gedicht ist also eine Warnung an alle, besonders an die Kinder: Schaut hin, wer euch lockt, die Tücke lauert überall. Wenn diese Botschaft auch noch - wie in diesem Fall - in eine eingängige Melodie gekleidet wird, vergisst das Kindergemüt es nicht so schnell.

Ich habe das kleine Lied nicht vergessen, seit unsere Mutter es uns vorgesungen hat.



Das besprochene Gedicht ist u.a. veröffentlicht in dem antiquarischen Buch: "Heim der Jugend - ein Jahrbuch für Kinder und Erwachsene", herausgegeben von Adolf Cronbach und Hanns Heinz Ewers, Verlag Siegfried Cronbach, Berlin 1905.

Der Verfasser des Gedichts ist der niederdeutsche Lyriker und Schriftsteller Klaus Groth (1819-1899).

Der Rezensent Wilfried Andreas Faust ist Mitglied der Autorengemeinschaft IGdA und lebt in Bajamar/Teneriffa.



- - ->  weiter zum  nächsten Beitrag - - ->  zur  Startseite

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
© 2010